
Wer belohnt, ist oft böse
Belohnung klingt harmlos. Fast zärtlich. Wie ein freundliches Klopfen auf die Schulter nach getaner Arbeit. Doch wer genauer hinsieht, erkennt: Belohnung ist keineswegs harmlos – sie ist manipulativ. Und gleich vorweg: Belohnung ist nicht das gleiche wie Anerkennung.
Belohnung infantilisiert. Sie entmündigt den Erwachsenen. Sie unterstellt: Du tust das Richtige nicht aus Einsicht oder Verantwortung – sondern weil jemand mit der Zuckerstange winkt. Belohnung ist die Karotte, die den Esel zum Laufen bringt. Und wir fragen uns: Wollen wir wirklich als Esel behandelt werden?
Wer belohnt, hat eine Agenda. Belohnung ist kein Akt der Großzügigkeit – sie ist eine Form der Kontrolle. Eine, die hübsch verpackt ist, aber im Kern die gleiche Botschaft sendet wie Strafe: „Ich bestimme, was gut ist.“ Der Unterschied? Die Belohnung tut so, als wäre sie positiv. Doch sie verfolgt dasselbe Ziel: Steuerung von Verhalten.
Warum muss mich jemand belohnen? Was will er wirklich? Wer mich belohnt, traut mir nicht. Er glaubt nicht an meine intrinsische Motivation. Er glaubt nicht daran, dass ich in der Lage bin, Verantwortung zu übernehmen, selbst zu denken, mit dem größeren Ganzen verbunden zu sein. Belohnung degradiert mich zum Mittel zum Zweck.
Der Preis der Belohnung: Verlust der Selbstverantwortung. In Unternehmen sehen wir diese Dynamik täglich. Zielvereinbarungen mit Bonuskomponenten. Lobeshymnen auf Mitarbeitende, die „überperformen“. Incentives für Projektabschlüsse. Was aber passiert wirklich? Die intrinsische Motivation – das selbstbestimmte Streben nach Sinn, Qualität und Wirkung – wird überlagert von externen Reizen.
Und schlimmer: Menschen verlernen, aus sich selbst heraus zu handeln. Sie warten. Auf Anerkennung. Auf das Schulterklopfen. Auf den Bonus. So entstehen Angestellte, die handeln wie dressierte Hunde. Nicht weil sie müssen – sondern weil sie darauf konditioniert wurden.
Die Alternative: Team-Beteiligung als Mitunternehmer
Es gibt einen Ausweg aus dieser Bevormundung: Beteiligung. Echte, gleichwertige Beteiligung. Nicht das „Einbeziehen“ in Entscheidungen, das ohnehin meist eine Farce ist. Sondern: Teams agieren wie kleine Unternehmen im Unternehmen. Eigenverantwortlich. Mit unternehmerischem Risiko. Und mit einem fairen Anteil am Ergebnis.
Das verändert alles. Plötzlich steht nicht mehr der Einzelne im Zentrum der Belohnungsmechanik, sondern das Kollektiv. Menschen erkennen: Wir sind gemeinsam verantwortlich. Wir sind keine Befehlsempfänger mehr – wir sind Mitunternehmer.
Das ist keine naive Utopie. Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Wer Menschen wie Unternehmer behandelt, bekommt unternehmerisches Denken zurück. Wer sie wie Kinder behandelt, erhält kindliches Verhalten.
Führung: Vom Belohner zum Ermöglicher
Führung muss aufhören, zu belohnen. Wer belohnt, betreibt Dressur. Wer ermöglicht, vertraut auf Verantwortung. Die Aufgabe der Führung ist es, Räume zu schaffen, in denen Teams sich entfalten können – als autonome, kooperationsfähige Einheiten. Ohne Leckerli. Ohne Lob-Konditionierung. Sondern mit echtem Vertrauen in die Mündigkeit des Menschen.
Weg mit der Belohnung!
Belohnung ist bequem – für den, der sie verteilt. Sie suggeriert Kontrolle. Aber sie verhindert Entwicklung. Wer Menschen wirklich ernst nimmt, wer ihnen Verantwortung und Handlungsmacht geben will, muss aufhören, sie zu belohnen.
Denn: Wer belohnt, ist oft böse. Nicht aus Bosheit. Sondern aus Bequemlichkeit, aus Misstrauen, aus Angst vor Kontrollverlust. Es wird Zeit, das zu erkennen – und zu handeln. Machen wir Schluss mit dem Belohnungstheater. Und beginnen wir, Menschen als das zu sehen, was sie sein können: Mitunternehmer. Partner. Erwachsene.