Rollen statt Positionen
In einer Zeit, in der Unternehmenslenker immer noch nach klaren Stellenbeschreibungen gieren, ist es Zeit, umzudenken. Nicht Positionen entscheiden über Wertschöpfung, sondern Rollen. Und Rollen sind, anders als Positionen, fluide, kontextabhängig, entwicklungsfähig. Das mag für Freunde des klassischen Organigramm-Denkens verstörend klingen, ist aber die gelebte Realität moderner Teams.
Die Fußballwelt hat es uns längst vorgemacht. Der defensive Mittelfeldspieler wird zum Spielmacher, der Außenverteidiger plötzlich zum Taktgeber. Starre Positionen? Schnee von gestern. Entscheidend ist: Wer bringt was wann in welcher Situation? Und: Was braucht das Team im Moment? Es geht um Rollenverständnis, nicht um Positionsfixierung.
Vom Ich zum Wir – und zurück zum Ich
Ein gutes Team lebt von der Unterschiedlichkeit seiner Mitglieder und von der Fähigkeit, diese Unterschiede nutzbar zu machen. “Jeder ist nur einmal ICH, aber mehrmals Teil des WIR” dieser Satz ist mehr als ein nettes Bonmot. Er ist ein Prinzip.
Denn Rollen entstehen nicht auf dem Reißbrett. Sie entstehen im Zusammenspiel, im Erkennen von Notwendigkeiten, im Aufspüren von Fähigkeiten. Und genau hier setzt das Denkwerkzeug des Qualifikations-Rasters an.
Wir müssen wissen, nicht glauben, welche Qualifikationen im Team tatsächlich gebraucht werden, um Kundenprobleme zu lösen. Was ist notwendig, um unser Leistungsversprechen „Wir leisten und verantworten“ einzulösen? Und: Wer im Team kann, möchte und wird genau das beitragen?
Der Quali-Raster liefert Antworten, keine perfekten, aber transparente und nachvollziehbare. Denn Vertrauen entsteht nicht durch Nähe, sondern durch Klarheit. Durch die ehrliche Auseinandersetzung mit Fragen wie:
Wer kann diese Qualifikation anwenden – und tut es auch?
Wer möchte sie lernen?
Wo fehlen uns Kompetenzen?
Und: Wer übernimmt Verantwortung?
Dabei gilt: Können heißt machen. Wer etwas angeblich kann, es aber nicht einsetzt, kann es im unternehmerischen Sinne nicht. Punkt.
Wertschöpfung sichtbar machen
Der große Irrtum vieler Gehaltsverhandlungen ist die Gleichsetzung von Präsenzzeit mit Wert. Doch ein Teammitglied, das viele relevante Qualifikationen beherrscht und einsetzt, ist schlichtweg wichtiger und damit auch wertvoller für das Unternehmen. Der Qualifikations-Raster macht genau das sichtbar. Er liefert die Grundlage für eine faire, nachvollziehbare Diskussion über Beitrag, Wirkung und persönliche Weiterentwicklung.
Denn Wertschätzung ist nicht das freundliche Schulterklopfen im Flur. Sie beginnt mit der Frage: „Was trägst du wirklich zum Gelingen bei?“ Und das lässt sich eben nicht allein über Hierarchien oder Dienstjahre beantworten, sondern über den konkreten Nutzen für das Team.
Der Qualifikations-Raster ist kein Werkzeug für Kontrolle, sondern für Entwicklung. Kein Mittel zur Bewertung, sondern zur Befähigung. Er hilft Teams, sich selbst zu verstehen und sich selbst zu organisieren. Dieser wird vom Team alle 3-6 Monate diskutiert und aktualisiert.
Führungskräfte tun gut daran, weniger auf Positionsbesetzungen und mehr auf Rollenentwicklung zu setzen. Nicht wer „wo“ sitzt, ist entscheidend, sondern wer „was“ beiträgt. Denn in Zeiten ständiger Veränderung ist der einzige stabile Faktor: das lernende, sich entwickelnde Team.